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Kammerexpertin: Biologische Pflanzenschutzmittel werden überschätzt

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Die zum Teil sehr hohen Erwartungen der Politik an biologische Pflanzenschutzmittel und andere Alternativen zu chemischen Wirkstoffen sind offenbar nicht gerechtfertigt. Diese Produkte seien nur schwer formulierbar, nicht haltbar und weniger wirksam, gab die Leiterin Pflanzenschutzdienst bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Dr. Ellen Richter, heute beim 5. Verbändedialog Wirkstoffverluste des Industrieverbandes Agrar (IVA) zu bedenken.

Die zum Teil sehr hohen Erwartungen der Politik an biologische Pflanzenschutzmittel und andere Alternativen zu chemischen Wirkstoffen sind offenbar nicht gerechtfertigt. Diese Produkte seien nur schwer formulierbar, nicht haltbar und weniger wirksam, gab die Leiterin Pflanzenschutzdienst bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Dr. Ellen Richter, heute beim 5. Verbändedialog Wirkstoffverluste des Industrieverbandes Agrar (IVA) zu bedenken. Es stellt sich bei diesen Mitteln laut Richter auch die Frage nach der Schadschwelle: Wenn die Mittel weniger wirksam seien, müssten sie gegebenenfalls schon eingesetzt werden, wenn der Schädling auftauche.

Auch Qualität wird leiden

Im Hinblick auf das von der EU aus Gründen des Artenschutzes geforderte Mehr an Landschaftselementen stellte Richter fest, dass sich in Hecken nicht nur Nützlinge, sondern auch Schädlinge vermehrten. Skeptisch sieht die Pflanzenschutzexpertin außerdem die Forderung nach mehr Beratung; hier sei personell kaum eine Besserung möglich. Richter betonte, dass eine Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes nicht durch Alternativen ausgeglichen werden könne. Mit mechanischer Technik lasse sich zwar Unkraut bekämpfen; bei Krankheiten sei es aber viel schwieriger. Es werde geringere Erträge geben, und die Qualität der landwirtschaftlichen Erzeugnisse werde schlechter, resümierte Richter.

Risiken werden drastisch überschätzt

Klare Worte fand auch der Phytomediziner Prof. Holger Deisinger. Die Risiken von chemischen Pflanzenschutzmitteln würden drastisch überschätzt, die Gefahren durch biologische Toxine massiv unterschätzt, erklärte der Agrarwissenschaftler von der Universität Halle-Wittenberg. "Bio ist gut und chemisch schlecht, ist zu simpel", stellte Deisinger klar. Hart ins Gericht ging er auch mit den Flächenzielen zum Ökolandbau. Der Phytomediziner verwies auf den Ertragsunterschied zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft, den er auf bis zu 30% bis 40% bezifferte. Um die gleiche Produktionsmenge zu erzielen, brauche es entsprechend mehr Land; das sei "völlig wahnsinnig".

Kupfer so toxisch wie DDT

Deisinger warnte außerdem, dass eine weitere Reduzierung der chemischen Pflanzenschutzmittelwirkstoffe die Resistenzbildung bei Schädlingen fördere. Heute gebe es nur noch bei 60% der Kulturen drei Wirkstoffe, die als notwendig erachtet würden, um Resistenzen vorzubeugen. Die Anwendungsmengen zu reduzieren sei gut, nicht aber die Zahl der Wirkstoffe. Das es davon bereits zu wenig gibt, zeigt dem Wissenschaftler zufolge das Beispiel Kupfer, das im Ökolandbau eingesetzt wird. Dieses sei so toxisch wie DDT und sollte verboten werden.

Johann Meierhöfer, Pflanzenbaureferent beim Deutschen Bauernverband (DBV), warnte davor, den Integrierten Pflanzenschutz zu überfordern. Techniken, die verfügbar seien, sollten schnell als Ersatz genutzt werden. Zugleich gab Meierhöfer zu bedenken, dass manche Alternativen wie beispielsweise die mechanische Unkrautbekämpfung anstatt Herbizide nicht immer greifen. In diesem Jahr sei es dafür vielfach zu nass gewesen. Es kann laut Meierhöfer auch nicht sein, dass den Landwirten in der EU immer mehr Auflagen gemacht, sie bei den Importen aber nicht entsprechend geschützt werden. In der Pflicht sieht der DBV-Pflanzenbaureferent nicht nur die Landwirtschaft. Es müsse klarer herausgestellt werden, dass es sich auch beim Umbau des Ackerbaus um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handele. AgE/ri

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