Die Marktkenner Striewe und Meierhöfer im Doppelinterview.
Qualitätsweizen aus deutschem Anbau könnte aufgrund niedriger Gehalte von Rohprotein (RP) durch verschärfte Düngeregeln bald zur Mangelware werden. Davor hat der Agrarhandelsexperte Ludwig Striewe von der BAT Agrar GmbH & Co. KG im Interview mit AGRA Europe gewarnt. "Die N-Spätgabe konnte dieses Jahr von den Beständen aufgrund der feuchten Witterung immerhin verarbeitet werden", räumt das Mitglied der BAT-Geschäftsführung ein.
Aber insgesamt reicht der Stickstoff seiner Meinung nach einfach nicht, wenn A- und E-Weizenbestände nicht ausgedüngt werden könnten. "Dies führt dazu, dass wir Rohproteine beim A-Weizen haben, die selten die 13% erreichen", erläutert Striewe. Er geht deshalb davon aus, dass von den in diesem Jahr kontrahierten A-Partien aus der Landwirtschaft maximal 30 bis 40% wirklich mit 13% Eiweiß oder mehr kommen. Grund ist aus seiner Sicht "ganz klar die Düngeverordnung".
Johann Meierhöfer vom Deutschen Bauernverband (DBV) sieht ebenfalls einen eindeutigen Trend hin zu niedrigeren RP-Gehalten. Auch er hält die Düngeverordnung für einen der Haupttreiber. "Seit 2017 haben die Landwirte bei der Reduzierung des Stickstoffeinsatzes erhebliche Anstrengungen unternommen", stellt der DBV-Fachbereichsleiter Pflanzliche Erzeugung und Energie im AgE-Interview klar. So liege der bilanzielle Überschuss in Niedersachsen zum Beispiel nur noch bei 6 kg/ha. Das klinge erst einmal gut, bedeute aber auch, dass die Bestände bei guten Wuchsbedingungen schnell in eine Stickstoffunterversorgung kämen - und das Ergebnis sehe man dann beim Rohprotein. "Wir schießen derzeit über das Ziel hinaus und daher besteht hier seitens der Politik nach wie vor erheblicher Korrekturbedarf", betont Meierhöfer.
Großes Dilemma
BAT-Mitgeschäftsführer Striewe weist im Interview darauf hin, dass selbst dem bundeseigenen Max Rubner-Institut (MRI) klar sei, dass Protein in Zukunft das qualitätsbestimmende Merkmal beim Weizen bleibe. Eiweiß sei am Ende in seiner Bedeutung für die Backeigenschaft nicht nur irgendein Indikator, sondern ein ganz entscheidender Parameter. Das sagten auch die Bäckereien.
"Macht Deutschland mit der Düngeverordnung so weiter, dann haben wir einen ganz klaren Effekt, nämlich, dass wir immer weniger Mahlweizen und dafür mehr Futter produzieren, was wir aufgrund der rückläufigen Tierbestände in Europa gar nicht verwerten können. Das ist ein großes Dilemma, das wir ganz offen ansprechen müssen", sagt Striewe.
Auch für DBV-Fachbereichsleiter Meierhofer ist Eiweiß ein entscheidender Faktor für die Backqualitäten, und die bisherige Einstufung nach dem RP-Wert mache auch den internationalen Handel einfacher. "Einen kompletten Verzicht auf diesen Parameter halte ich deshalb auch auf absehbare Zeit für nicht umsetzbar", so Meierhöfer. Nichtsdestotrotz komme es in Bezug auf die Backfähigkeit nicht nur auf die Höhe des RP-Wertes an, sondern auch auf die Zusammensetzung, gibt er zu bedenken. Und es gebe ja auch in Deutschland gute Beispiele, bei denen Landwirte vertraglich gebunden Sorten anbauten, die nicht die höchsten RP-Werte hätten, aber eben besonders vorteilhafte RP-Muster. Die damit verbundene Einsparung von Dünger mache sich ja auf der Kostenseite für den Landwirt positiv bemerkbar. Eine Ergänzung der bisherigen Qualitätsparameter über das Rohprotein hinaus würde daher niemandem schaden, ist der DBV-Marktexperte überzeugt. AgE